2008 – Tracy Chapman: “Barack Obama würde ich gerne einmal treffen”

By Jan Förster, Park Avenue, November 2008

Drei Jahre nachdem Tracy Chapman ihr Album “Where you live at” veröffentlichte, ist sie nun zurück. “Bright Future” steht ab November in den Plattenläden. In gewohnter Manier drückt Chapman den Finger auf offene soziale Wunden und äußert sich in ihren poetischen Texten zur Lage der Nation. Mit PARKAVENUE.DE spricht sie über Politik und Luxus und das ewige Missverständnis als Folk-Sängerin bezeichnet zu werden

Tracy Chapman (44) wurde in Cleveland, Ohio geboren. Auf einem Konzert zu Nelson Mandelas 70. Geburtstag feierte Chapman ihren Durchbruch. Sie sprang für den verhinderten Stevie Wonder ein und begeisterte das Publikum. 20 Jahre sind seitdem vergangen. Bis heute gewann sie vier Grammys und produzierte neun Alben

Mrs. Chapman, Ihr letztes Album erschien vor drei Jahren. Wo sind Sie die ganze Zeit gewesen?

Nun, einen großen Teil dieser Zeit bin ich auf Tour gewesen, also seit 2005. Erst in den Staaten, dann zweimal in Europa. Die Zeit danach habe ich dann Zuhause verbracht, um neue Ideen für Songs zu finden und um Songs zu schreiben.

Das neue Album kommt nun im November. Hören wir eine neue Tracy Chapman?

Ich weiß nicht. Das müssen andere beurteilen. Klar ist, dass ich neue Songs geschrieben habe. Jeder Song ist anders. Manche vielleicht auch stilistisch. Aber es ist nicht mein Ziel, ein Album mit dem Vorsatz – “ich muss unbedingt etwas Neues machen” – zu schreiben. Mir geht es darum, Songs zum Leben zu bringen. Und da ist jeder Song einzigartig. Wichtig ist mir eher die beste Produktion und das beste Arrangement. Das gibt jeder Song neu vor.

Der Titel des Albums ist „Bright Future“ – Wie ist das zu verstehen?

Der Titel des Albums ist von einem der Songs auf dem Album. Es ist ein Song über Krieg. Der Inhalt der Zukunft kann nicht aus Gewalt und Zerstörung bestehen. Wenn es aber der Weg ist, den wir wählen, dann liegen die besten Tage hinter uns. Diese Frage stellt der Song.

“But now you can’t believe, what you’re told, you can’t believe what you hear the speeches of the politicians” heißt es in einer Ihrer Textzeilen. Was fehlt Ihnen in der heutigen Politik?

So ziemlich alles. Ich weiß nicht, wie es hier ist, aber in den USA hat die Politik ihren Einfluss verloren. Wir haben nicht länger die Stimme, die wir haben sollten im politischen Prozess. Geld ist einfach zu wichtig geworden. Politiker vertreten Firmeninteressen und eigentlich sollte unser System auf einer ausgeglichenen Macht basieren. Doch in vielen Fällen sind wir dieser Macht beraubt. Und es ist einfach Zeit, diese Macht zurückzubekommen. Die Führung muss gewechselt werden.

Wer war Ihr Favorit? Barack Obama oder John McCain?

Definitiv Barack Obama!

Warum?

So gesehen: Ich habe noch nie an die Ansichten konservativer Politiker geglaubt. Ich bin links-liberal. Meine Werte stehen nicht für die der Konservativen. Sie glauben an Deregulierung, sie glauben nicht an den Schutz der Umwelt, sie glauben nicht daran, die Armen zu beschützen, geschweige denn an Bildung. Sie glauben aber daran, Geld an Firmen zu geben. Ich denke, ein Staat muss seine Bürger beschützen so gut er kann. Für ein friedliches Zusammenleben braucht es ein ökonomisches Klima, das es Menschen möglich macht, sich selbst zu helfen. Sie brauchen ein soziales Netz. Ein Gesundheitswesen und so weiter. Außerdem möchte Obama, dass die militären Truppen den Irak verlassen. Und es ist an der Zeit, dieses Land zu verlassen.

Sie mögen es nicht, wenn man Sie als “Folk-Künstlerin” bezeichnet. Stattdessen fühlen Sie sich eher von R’n’B und Gospel inspiriert. Stimmt das?

Ja, das ist richtig! Naja, jeden, den man so kennt, ordnet man irgendeiner Kategorie zu. Jedoch sehe ich mich nicht unbedingt als Folk-Künstlerin. Das hat mit meinem musikalischen Hintergrund so rein gar nichts zu tun. Ich bin in einer kleinen industriellen Stadt aufgewachsen. Clevland, Ohio. Das ist da, wo die Hall of Fame ist. Schwarze und Weiße lebten hier getrennt. In jeder Hinsicht. Und das natürlich auch kulturell. In diesem Sinne: Ich habe nicht Bob Dylan gehört… oder andere Folk-Songs. Ich hörte R’n’B, ein bisschen Gospel, mein Vater hörte Jazz. Ich wuchs auf mit Aretha Franklin, den Jackson Five und mit Michael Jackson. Ich hörte Folk erst, als ich in der High School war.

Könnten Sie sich vorstellen einen Rap-Song zu machen?

Nein. Vielleicht einen R’n’B-Song. Hip Hop ist nicht unbedingt Teil meiner Generation. Ich bin als Teenager in den 70ern aufgewachsen. Als mein erstes Album herauskam, da gab es zwar schon Grandmaster Flash. Aber seien wir ehrlich, Hip Hop war nicht das, was es heute ist.

Sie sind ein kritischer Geist. Was machen Sie denn, wenn Sie einmal nur Zeit für sich haben? Irgendwelche geheimen Leidenschaften, von denen wir wissen dürfen?

Ich habe einen Garten mit Tomaten, Himbeeren, Erdbeeren und vielen Pflanzen. Ich mag es, selber Früchte anzubauen. Manchmal mache ich mir dann einen Obstsalat.

Was ist Ihre Definition von Luxus?

Luxus? Zeit!

Wen würden Sie gerne treffen?

Ich habe so viele interessante Personen getroffen. Den Dalai Lama, Nelson Mandela, Bill Clinton. Wer noch fehlt ist Barack Obama.

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