2005 – “Hoffen auf die nächste Wahl”

DER SPIEGEL 38/2005 vom 17.09.2005, Seite 155

Die amerikanische Sängerin Tracy Chapman, 41, über politisch engagierte Popmusik und ihr neues Album “Where You Live”

SPIEGEL: Ms Chapman, es ging doch um eine gute Sache. Warum waren Sie bei den Live8-Konzerten dieses Sommers nicht dabei?

Chapman: Weil ich mich für Bob Geldofs Show nicht hergeben wollte. Ich wurde zwar kurz vorher noch eingeladen, aber da kam das Ganze für mich nicht mehr in Frage. Da war schon klar, dass die Veranstalter keine afrikanischen Musiker und kaum afroamerikanische Musiker eingeladen hatten – und das, obwohl sie ein Benefizfestival für Afrika veranstalteten! Da half es auch nichts, dass sie dann noch ein paar Künstler nachnominierten.

SPIEGEL: Sie hatten einst Ihren Durchbruch bei einem Konzert, das die Befreiung Nelson Mandelas zum Ziel hatte und singen auch auf Ihrem neuen Album “Where You Live” gegen die Ungerechtigkeiten der Welt an. Glauben Sie prinzipiell an die Veränderungskraft engagierter Popmusik?

Chapman: Ich glaube nicht daran, dass Konzerte und Songs für sich genommen die Welt verändern können. Manchmal gelingt einem ein Auftritt oder ein Song genau im richtigen Moment, und man kann Menschen inspirieren mit Musik, sie vielleicht in die richtige Richtung lenken – aber dafür müssen große soziale Bewegungen mit viel Überzeugungsarbeit den Boden bereitet haben; wie im Fall Nelson Mandelas.

SPIEGEL: Ihre aktuellen Songs prangern unter anderem den Zustand der USamerikanischen Großstädte an, in denen Menschen verhungern, und zugleich die Tatenlosigkeit der amerikanischen Politik – hat es Sie sehr enttäuscht, dass George W. Bush 2004 wiedergewählt wurde?

Chapman: Ich habe mit anderen Musikern Konzerte gegeben, um die Leute dazu zu bringen, sich registrieren zu lassen und wenigstens zum Wählen zu gehen. Klar war es frustrierend, dass die Wahl dann doch an Bush ging. Aber lassen Sie’s uns nüchtern betrachten: Vermutlich war John Kerry einfach der falsche Mann. Wir müssen auf die nächste Wahl hoffen. Manchmal wünsche ich mir, dass ich fester in meinen religiösen Überzeugungen wäre – dann könnte ich wenigstens sicher sein, dass Beten hilft.

Share this article
Shareable URL
Prev Post

Tavis Smiley Show Interview

Next Post

Where You Live sales so far

Read next