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2001 – Es gibt viel sexismus im musikgeschäft

Tracy Chapman spricht über
Armut, Minderheiten und ihre Musik

By Aktuell, August 31, 2001

ots – Mit den sparsam arrangierten Folksongs und den sozialkritischen Texten ihres Debütalbums hatte die lesbische Sängerin Tracy Chapman im Sommer 1988 beim legendären Tribute-Konzert für Nelson Mandela im Londoner Wembley-Stadion ihren großen Durchbruch. Inzwischen kann sie auf eine spannende und bewegte Karriere zurückblicken, in der sie ihrem Erfolgsrezept treu geblieben ist, und über deren Früchte ihr aktuelles Album “The Collection” eine Übersicht bietet.

Mit Songs wie “Fast Car” und “Talkin’ Bout A Revolution” standen sozialkritische Themen von Anfang an im Mittelpunkt Ihrer Songtexte. Können Sie trotz Ihres Erfolges noch unbefangen über sozialkritische Themen schreiben? Haben Sie sich nicht zu weit von den einfachen Verhältnissen der schwarzen Minderheit in den USA entfernt?

Tracy Chapman : Ich bin schwarz und werde immer schwarz sein. Ich bin eine Frau und werde immer eine Frau bleiben. Ich bin arm geboren. Auf deinem Bankkonto mag sich einiges bewegen, aber dein Klassenhintergrund wird sich niemals ändern. Ich habe keinen Einfluss darauf, wie mich andere Leute wahrnehmen. Aber es gibt gewisse Erfahrungen, die dich niemals verlassen werden. Zum Teil liegt das daran, dass sich einige Dinge niemals ändern. Es gibt immer noch Leute, die mich unfair behandeln. Ich begegne nach wie vor Vorurteilen und Rassismus. Für einige Leute ist es völlig egal, wie viel Geld ich verdient habe, das verändert nicht die Art und Weise, in der sie mich sehen. In gewisser Weise ist das auch gut so. Aber wenn sie mich nicht als Person sehen, sondern nur meine Hautfarbe oder mein Geschlecht, oder irgendetwas anderes oberflächliches… Damit will ich nicht sagen, dass Hautfarbe oder Geschlecht nur oberflächliches darstellen, aber sie machen mit Sicherheit nicht die Gesamtheit einer Person aus. Insbesondere dann nicht, wenn die Wahrnehmung dieser Personen auf Stereotypen beruht. Ich kann nicht behaupten, dass ich über den Zustand der armen schwarzen Bevölkerung in diesem Land sprechen könnte. Und ich glaube auch nicht, jemals behauptet zu haben, dies zu können. Ich kann nur aus meiner eigenen Erfahrung sprechen. Ich denke, dass sich die Demütigungen, die man durch Armut erfährt, nicht verändern. Alles, was ich jemals erfahren habe, wird auch immer noch die Erfahrung von Leuten sein, die kämpfen müssen. Und wenn ich andererseits nicht die Gelegenheit wahrnehme, für Leute zu sprechen, die nicht die Möglichkeit haben, für sich selbst zu sprechen, wer macht es dann? Ich kann mich noch sehr gut an die Zeit erinnern, als ich jünger war, noch nicht den Erfolg meines ersten Albums erreicht und damit Geld verdient hatte. Ich weiß, dass es Leute gibt, die Menschen wie mir keine Aufmerksamkeit schenken. Ich weiß, Sie sitzen hier und sprechen jetzt mit mir…

…weil Sie Tracy Chapman, die Künstlerin sind…
Tracy Chapman : Genau. Ich will nicht ausschließen, dass wir uns auch auf der Straße treffen und ein vollkommen angenehmes Gespräch führen könnten. Aber ich mache mir da nichts vor. Tracy Chapman, die Tellerwäscherin, würde vermutlich hier jetzt nicht sitzen.

Sie sind schwarz. Sie sind eine Frau. Sie sind außergewöhnlich erfolgreich und deshalb mit Sicherheit für viele junge schwarze Frauen ein Vorbild. Empfinden Sie das als Herausforderung oder als Last?

Tracy Chapman : Das sehe ich anders. Ich habe natürlich letztendlich keinen Einfluss darauf, wie die Leute mich wahrnehmen und was ich ihnen bedeute. Aber mir gefällt diese Wichtigtuerei nicht, die in der Luft liegt, wenn man sich selbst als Vorbild für andere bezeichnet. Mein Leben ist jedenfalls keine so große Sache, dass ich so kühn wäre, mich als Vorbild für jemanden auszuweisen.

Wenn sich jemand durch Ihre Arbeit ermutigt sieht, es ebenfalls mit der Musik zu versuchen?

Tracy Chapman : Ja sicher, damit habe ich kein Problem.

Wenn man Ihren politisch engagierten Background in Betracht zieht, fällt auf, dass Sie bei Ihren Konzerten und der Produktion Ihrer Alben nur wenige Frauen beschäftigen.

Tracy Chapman : Die Musikindustrie wird im allgemeinen immer noch von Männern dominiert. Die meisten Musiker, sowohl im Studio als auch für Liveauftritte, sind Männer. Es gibt oder zumindest gab vorübergehend eine Zeit, insbesondere im Zuge der Lilith Fair Tourneen, in der Frauen mehr Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass deshalb in der gesamten Aufnahmeindustrie mehr Frauen tätig sind. Du findest kaum weibliche Produzenten, Tontechnikerinnen oder Tourmanagerinnen. Und das liegt zu einem großen Teil daran, dass es immer noch viel Sexismus im Musikgeschäft gibt. Dennoch versuche ich, bei der Besetzung meiner Livebands mehr Frauen und auch Farbigen eine Chance zu geben. Aber am Ende wird sich meine Entscheidung immer danach richten, wer richtig für den Job ist.

Wie sieht das bei Ihren Konzerten in den USA vor der Bühne aus? Befinden sich da mehr Frauen als Männer im Publikum? Und ist Ihr Publikum dort überwiegend schwarz oder weiß?

Tracy Chapman : Ich denke nicht soviel über die demographischen Zahlen bei meinem Publikum nach. Nach den Menschen zu urteilen, die mich auf der Straße ansprechen, scheint es sich jedoch um eine ziemlich abwechslungsreiche Gruppe zu handeln, sowohl was das Geschlecht, als auch was die Hautfarbe angeht. Unter dem Strich wird es sich vermutlich um ein überwiegend weißes Publikum handeln. Man darf nicht vergessen, dass die schwarzen Menschen in den USA nur etwa 10 – 12 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen. Selbst erfolgreiche Rapkünstler verkaufen den größten Teil ihrer CDs an ein weißes Publikum.

Fühlen Sie sich merkwürdig, wenn Sie beispielsweise in Europa vor einem überwiegend weißen Publikum auftreten?

Tracy Chapman : Nein. So fühlt sich mein ganzes Leben an. Der einzige Ort, den ich besucht habe, und in dem ich nicht zur Minderheit gehörte, ist Afrika. Und das war allerdings ein ganz erstaunliches Gefühl.

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